Fernsehnachrichten
Peripetien, Katastrophen und Katharsis: Auch die Fernsehnach-richten folgen althergebrachten Erzählmustern. Da gibt es in sich abgeschlossene Dramen und die auf Endlosigkeit angelegte Serie.
von Knut Hickethier
Die taz titelte zur Spendenaffäre ûDie Daily Soap zur CDUë (Meg 2000), der Berliner Tagesspiegel sprach von einer ûSchurkenkomödieë (Stefan Reinecke, 2000) und die FAZ sah eine ûAffärenstadlë am Werke (Andreas Rossmann, 2000). Die CDU-Krise mit Theaterbegriffen zu belegen oder als Fernsehmelodram zu verstehen, hat Konjunktur. Doch ein solcher oft nur metaphorischer Gebrauch der Begriffe verdeckt, dass die Nachrichtenproduktion und -präsentation ganz allgemein auch den Regeln der Dramaturgie und der Narration folgt, wie sie die fiktionalen und unterhaltenden Formen für ihre Beschreibung längst als selbstverständlich verwenden.
Die dramatische Struktur der Nachricht
Bei aller berechtigten politischen Empörung über die Skandalreihe der schwarzen Kassen, ominösen Spenden und Gesetzesbrüche besitzen die Nachrichten über die CDU-Krise auch einen hohen medialen Unterhaltungswert. Das sichert den Medien nicht zuletzt die gewünschten Einschaltquoten.
Sie bedienen sich dabei der klassischen Regeln des Theaters, das sich immer auch als eine moralische, d.h. als eine moralisierende Anstalt verstanden hat, und das dieses Selbstverständnis an das Fernsehen weitergegeben hat. Auch die Fernsehnachrichten arbeiten mit Rollenschemata, bauen Helden und Antihelden auf, benutzen altbewährte Rollenmuster: den mächtigen Schurken, der uneinsichtig ist; den selbst ernannten Retter, der über eigene Lügen zu Fall kommt; das edle Mädchen mit melodramatischer Unschuld, eine Jeanne d'Arc der ûrückhaltlosenë Aufklärung. SchlieÃÂlich die Kombattanten, mal der einen, mal der anderen Seite zuneigend, und die Gegner, die alles mit höhnischem Blick ansehen, bis auch bei ihnen nach einer Leiche im Keller gefahndet wird.
Weil Fernsehnachrichten der Bilder und damit der handelnden Personen bedürfen, und sie den Bericht auf der Zeitebene organisieren, liegt die Benutzung dramaturgischer Konstruktionen nahe. Das Programmprinzip mit seinem Zwang zum täglich Neuen führt dazu, das Dramatische als Serie...